Was macht eigentlich Tina, ausgebildete Sängerin mit den Schwerpunkten Rock, Pop & Jazz?

Tyna beim Dynamit Release Konzert im November im Logo in Hamburg
Tina beim Dynamit Release Konzert im November 2019 im Logo Hamburg (Photo Credit: Zephira)

Moin Tina, Du bist ausgebildete Sängerin mit den Schwerpunkten Rock, Pop & Jazz. Wie sieht Dein aktueller Arbeitsalltag aus?

Hey Jana, das werde ich sehr häufig gefragt, da viele Menschen sich gar nicht vorstellen können, was man als selbstständige MusikerIn so den ganzen Tag macht. Es ist auf jeden Fall sehr abwechslungsreich, jeder Tag ist anders, jeder Tag ist neu. Mal stehe ich früh auf, mal spät, je nachdem was am Abend vorher anstand. Ich liebe es zu frühstücken und kann auf meinen Kaffee morgens nicht verzichten. Danach setze ich mich meist an meinen Laptop, checke Mails und überleg mir Dinge für Social Media. Meistens bleibe ich an den Mails und Erledingungen ziemlich lange hängen. An manchen Tagen gebe ich dann Gesangsunterricht in meinem Unterrichtsraum oder fahre in eine Musikschule. Ab und an auch ins Tonstudio, wo ich Songs für andere einsinge, die dann zum Beispiel für Werbung genutzt werden.

An manchen Tagen finden dann auch noch Bandproben statt. Zwischendurch schreibe ich Songs, spiele Gitarre oder Klavier und treffe mich immer wieder mit anderen MusikerInnen, vernetzte mich und tausche mich aus. Das inspiriert mich. ☺ Am Wochenende bin ich normalerweise immer unterwegs und spiele Konzerte. Mal auf Festivals, Clubs, mal eigene Musik, mal Covermusik.

Ich bin viel unterwegs und mir macht das auch riesig Spaß, weil ich mich frei entfalten kann und frei bin. Zumindest war das bis März so.

Seit Corona hat sich alles verändert.  Die Wochenenden sind gezwungenermaßen frei und ich zähle die Tage, bis ich wieder Konzerte spielen darf. Ich nutze die Zeit, um mehr Songs zu schreiben, aber sich selbst zu motivieren, ist aktuell gar nicht so leicht. Für die Veranstaltungsbranche ist das alles gerade Horror. Wir haben Arbeitsverbot, wir sind die ersten, die nicht mehr arbeiten durften und werden die letzten sein, die wieder arbeiten dürfen.

Seit 2013 gibt es das Musikprojekt „TYNA“. Ab 2016 ist es ein Solo-Projekt von Dir. Hat sich die Musik in der Zeit gewandelt und wo steht Deine Musik heute?

Vor vier Jahren ist meine ehemalige Band ausgestiegen. Das hat mich damals schwer getroffen und ich habe einige Jahre gebraucht um herauszufinden, wie ich nun musikalisch weitermachen möchte. Bis 2018 habe ich immer wieder versucht nicht anzuecken und habe viele Dinge nicht gesagt, die eigentlich „raus“ wollten. Das hat sich mittlerweile geändert, auch weil ich mich persönlich sehr verändert habe. Diese ganzen Prozess habe ich in neuer Musik verarbeitet, die mich zu hundertprozent wiederspiegelt. Meine „DYNAMIT“-EP mit deutschsprachigem PopPunk mit NDW (Neue Deutsche Welle) Einfluss kam im November raus. Ich glaube aber, dass man sich immer weiterentwickelt, so wie die Musik auch. Aktuell arbeite ich gerade an neuen Songs. Diese sind noch ein bisschen NDW- lastiger.

Gab es in Deinem Werdegang eine Person oder einen Moment, der Dich dorthin gebracht hat, wo Du jetzt bist?

Es gibt immer wieder Momente und Menschen, die mich inspirieren. Das sind manchmal große Festivalmomente, wie das Open Flair Festival, auf dem ich bereits spielen durfte. Aber auch kleine, intime Wohnzimmerkonzerte und die Gespräche mit den Menschen vor Ort. Was mich aber auf jeden Fall im letzten Jahr sehr geprägt hat, war der Hamburger Popkurs. Ich habe meine Liebe zu Synthesizern entdeckt. Das wird man auch in den neuen Songs hören, die gerade den letzten Feinschliff bekommen.

Mit diesem Konzert im November gewann Tyna den Krach & Getöse Preis für das beste Newcomerkonzert (Photo credit: Zephira)
Mit diesem Konzert im November gewann die Band den Krach & Getöse Preis für das beste Newcomerkonzert (Photo Credit: Zephira)

Wie entwickelst Du dich in der Branche weiter?

Ich glaube, dass es wichtig ist, offen für vieles zu sein. Sich neue Musikgenres anzuhören, Sachen auszuprobieren und sich einfach selbst keine Regeln zu setzen. Im letzten Jahr durfte ich den Popkurs der Hochschule für Musik & Theater in Hamburg besuchen. Das ist ein Kontaktstudiengang, in dem es genau darum geht, sich frei zu entfalten und alle musikalischen Tabus zu brechen.

Wolltest Du schon immer diese berufliche Richtung einschlagen?

Eine Freundin aus Kindheitszeiten hat mir vor ein paar Jahren ein Freundschaftsbuch von früher gezeigt mit den Worten: „Guck mal, du hast tatsächlich deinen Kindheitstraum umgesetzt.“ Berufswunsch: Sängerin

Bunt, laut und wild – Tina ist eine Vollblutmusikerin (Photo Credit: Foxontherun)

Du setzt dich für die Deutsche Depressionshilfe ein: Wie bist Du dazu gekommen und wie sieht Dein Engagement aus.

Pro verkaufter „DYNAMIT“ CD spende ich 1€ an die Deutsche Depressionshilfe. Viele Menschen haben immer noch Angst über psychische Krankheiten zu sprechen, für viele ist es immer noch ein Tabu-Thema. Das finde ich total schlimm, denn es sind viel mehr Menschen davon betroffen, als man denkt. Auch ich hatte sehr lange mit schlimmen Depressionen zu kämpfen und war jahrelang in Therapie. Mittlerweile kann ich damit viel besser umgehen, weiß aber auch, dass es immer ein Teil von mir sein wird. Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, sich Hilfe zu suchen. Da wo Regen ist, ist auch irgendwo Licht!

Wie sieht es mit Plattenfirmen aus?

Schwieriges Thema. Ich persönliche mache alles selber: Managen, Konzerte buchen, Social-Media, Songs schreiben, Pläne schmieden, Musikveröffentlichungen planen. Bei meiner letzten Veröffentlichung haben mir die Mädels von kosmopolit records geholfen. Ich liebe es unabhängig zu sein und finde auch, dass man heutzutage im Gegensatz zu früher kein Label (Plattenfirma) mehr haben muss. Natürlich merke allerdings immer wieder, wie sehr ich mit TYNA und meinem 24h/Tag auch an meine Grenzen stoße (es gibt keinen geregelten „Feierabend“). Ich hätte schon gerne mehr Zeit für mein Songwriting und zum Üben. Leider nimmt die meiste Zeit der ganze andere „Kram“ ein. Deshalb bin ich gerade dabei mich nach einem passenden Management/Label umzuschauen. Allerdings ist mir der zwischenmenschliche Part in der Zusammenarbeit am wichtigsten und die Liebe zu meiner Musik. Sollte das nicht passen, mache ich doch lieber wieder alles selber.

Psssst: Das ist übrigens ein Spoiler für einen meiner neuen Songs. Der wird nämlich „Immer alles selber machen“ heißen.

Gab es einen Aha-Moment in Deinem Job?

Leider ist die Corona-Zeit ein großer Aha Moment. Mir wurde krass bewusst, wie wenig Wertschätzung wir MusikerInnen (sowie alle anderen Menschen aus der Veranstaltungsbranche!) erhalten. Es gibt kaum staatliche Unterstützungen für uns, wir werden alle mit Hartz4 „abgespeist“, egal wie viel Steuern wir die letzten Jahre gezahlt haben. Ich bin auch der Meinung, Gesundheit muss an erster Stelle stehen, aber es müssen andere Lösungen für alle Soloselbstständigen her! Ich höre immer das Argument: „Ihr braucht doch Rücklagen!“ – Aber wer hat schon Rücklagen, um vermutlich ein Jahr lang ohne Arbeit zu überleben?! Wir haben diesen Job aus Liebe gewählt, das ist sozusagen unsere Berufung. Für mich ist es besonders schlimm. Ich habe alle meine Rücklagen in „DYNAMIT“ gesteckt, weil ich 2020 viele Konzerte gespielt hätte. Mit diesen Einnahmen hätte ich die gesamten Kosten wieder „rückfinanziert“.

Du hast einen Podcast, erzähle gerne etwas darüber.

Das einzig gute an der aktuellen Situation ist, dass ich in den letzten Monaten mehr Zeit für viele anderen Dinge hatte. Ich habe schon länger über einen Podcast nachgedacht. Einen Podcast, in dem nicht nur über Musik gesprochen wird, sondern auch persönliche Themen wie eben Depressionen. Ich lade mir dazu immer mal Gäste ein wie aktuell eine Freundin, die Psychologie studiert.

Der Tynamit Podcast, neue Folgen gibt es immer alle 4-  6 Wochen
Der Tynamit Podcast, neue Folgen gibt es immer alle 4- 6 Wochen

Welche persönlichen Ziele verfolgst Du in den nächsten Jahren?

In erster Linie nur Songs zu schreiben, neue Musik veröffentlichen und mich weiterhin nicht unterkriegen lassen.

Ausgleich zur Arbeit?

Ich reise total gerne. Das ist ja aktuell eher schwierig, weshalb ich das Lesen wieder für mich entdeckt habe. Ich stehe total auf Fantasy und psychologische Bücher. Was ein Kontrast, aber ich mag es!

Fantasy- und tiefgründige Bücher gehören zu Tynas Favoriten
Fantasy- und tiefgründige Bücher gehören zu Tinas favorisierter Literatur

Wie stehst Du zu Live Konzert Alternativen wie Online-Konzerte oder Autokonzerte?

Ich habe ein paar Live-Stream-Konzerte gespielt und fand das auch toll. Aktuell habe ich es allerdings erstmal eingestellt, weil es einfach kein „richtiges“ Live-Konzert ersetzen kann. Genauso ist das mit Autokonzerten und Co. Ich brauche Gesichter, Schweiß und Action. Das ist aktuell so leider einfach nicht umsetzbar..

Wie kann man Euch MusikerInnen aktuell unterstützen?

Besucht unsere Homepages und bestellt Merchandise-Artikel. Teilt unsere Musik, packt sie in eure Playlisten, folgt uns auf allen Kanälen und erzählt es weiter.

Satz zum Abschluss?

Ich treffe immer viele Menschen, die geschockt sind, dass wir MusikerInnen und Bands bei Spotify pro Stream gerade mal 0,004 Cent verdienen.

Danke Tina für das aufschlussreiche Interview!

Interview: Jana Pohlmann

Fotos: Zephira, foxontherun

Tyna auf Spotify.

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