Schlagwort: Selbstständigkeit

  • Was macht eigentlich Vanessa Linska, freie Rednerin und Erzieherin?

    Vanessa Linska (31) begleitet von April bis September fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten
    Vanessa Linska (31) begleitet von April bis September fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten

    Moin Vanessa, Du bist seit 2016 freie Rednerin. Was hat Dich an dieser Tätigkeit gereizt und wie sieht Deine Woche so aus?

    Moin Jana; Es ist einfach toll, wenn dir Menschen so vertrauen, dass sie dir ihre ganz persönliche und private Liebesgeschichte erzählen möchten. Das dann in einer Rede zu verpacken, die für alle sichtbar macht, warum diese Beziehung dieser beiden Menschen so besonders ist, bringt einfach unheimlich viel Spaß. Und wenn das Brautpaar nach der Rede zu mir kommt und sagt, dass ich ihre Geschichte perfekt erzählt habe – oder sogar ihre Erwartungen übertroffen habe, – dann ist das ein unbeschreibliches Gefühl.

    In Bezug auf meine Reden verläuft die Arbeit eher in Phasen. Im Sommer und Winter sind die meisten Heiratsanträge, sodass das auch die Monate sind, wo ich mehrmals die Woche Anfragen für Trauungen bekomme. Das geschieht ca. 1 Jahr vor der geplanten Hochzeit. Zeitnah treffe ich mich dann mit diesen Paaren zu einem unverbindlichen Kennenlerngespräch.

    Im Winter verteile ich Fragebögen an die Brautpaare und ihre Liebsten und vereinbare einen Termin für unser Hauptgespräch. Dieses Hauptgespräch muss vor- und nachbereitet werden. Ich beginne meist schon im Januar oder Februar mit dem Schreiben der ersten Reden für die kommende Saison, das zieht sich dann bis in den Mai. Die Hochzeitssaison an sich ist dann meist von Ende April bis Ende September, wo ich fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten begleite. Und nebenbei müssen natürlich Arbeiten wie Ablage, Steuern, Homepage überarbeiten, Planung für Messen usw. abgearbeitet werden.

    Viele sehen nur den Tag der Trauung, aber ehrlich gesagt ist das der angenehmste und geringste Teil meiner Arbeit.

    Was für Reden bietest du an?

    In erster Linie werde ich für Hochzeiten gebucht. In einer Saison betreue ich zwischen 20 und 30 Hochzeiten. Ich begleite aber auch immer wieder Willkommensfeiern für Kinder. Es gibt Eltern, die ihr Kind nicht taufen lassen wollen oder es später selbst diese Entscheidung treffen lassen möchten.

    Seit neustem ist der sehr große und sensible Bereich der Trauerreden hinzugekommen. Auch hier gibt es Menschen, die keinen Bezug zur Kirche hatten und in einer freien Trauerfeier verabschiedet werden möchten.

    Im letzten Jahr habe ich ein 25-Jähriges Firmenjubiläum mit 250 geladenen Gästen als Moderatorin begleitet und durch den Abend geführt.

    Außerdem habe ich auch schon Reden für überforderte Väter oder sehr emotionale Schwestern geschrieben bzw. ihnen geholfen ihre Gedanken in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

    Vanessa Linska spricht nicht nur auf Hochzeiten, sondern vermittelt auch zwischen Familienmitgliedern
    Vanessa Linska spricht nicht nur auf Hochzeiten, sondern vermittelt auch zwischen Familienmitgliedern

    Wie sieht Dein Werdegang aus? Gab es in Deinem Werdegang eine Person oder einen Moment, der Dich zu dieser Idee inspiriert hat?

    Tatsächlich bin ich in diesen Beruf eher zufällig reingerutscht. Meine Schwester hat 2016 eine*n freie*n Redner*in für ihre Hochzeit gesucht und meinte eher im Scherz zu mir: „Das ist doch voll dein Ding, warum machst du das nicht?“ Ich kannte diesen Beruf vorher gar nicht und habe mich dann informiert und gemerkt: Sie hat recht!

    Seitdem ich klein war, habe ich schon immer Geschichten oder Briefe an meine Familie geschrieben. Ich habe leicht auswendig lernen können und gerne meine ganze Familie damit terrorisiert, dass ich meine Kassetten oder die Fernsehwerbung nachgeplappert habe. Später haben mich Musiktexte mit einer Botschaft beschäftigt und beeindruckt. Das waren Reime oder Wortspiele im Deutschrap, aber auch emotionale Botschaften bei deutschen Liedermachern.

    Ich habe später bei Poetry Slams mitgemacht und meine eigenen Texte geschrieben. Das war ein extrem wichtiger Schritt und eine sehr gute Schule für mich, um als freie Rednerin zuarbeiten.

    Ausschnitt von einem Poetry Slam Auftritt

    Du bist Anfang November 2017 nach Baden-Württemberg gezogen, wie hast Du Dir Deinen Kundenstamm aufgebaut?; Was empfiehlst Du anderen, die in dieser Branche Fuß fassen möchten?

    Ich wusste zum Glück schon eine ganze Zeit, dass ich nach Baden-Württemberg ziehen werde und habe dann auch dort die Werbetrommel in Form von Internet-Portalen für Künstler gerührt. In dieser Region, in der ich nun lebe, gab es nur eine Hand voll Redner*innen, was mir natürlich auch in die Karten gespielt hat. Denn, wenn man erst einmal einige Hochzeiten begleitet hat und das Brautpaar aber vor allem auch die anwesenden Gäste begeistern konnte, resultieren daraus häufig Folgeaufträge. Denn viele Gäste sind oft selbst im heiratswilligen Alter. 😉

    Was ich auf jeden Fall empfehlen kann, ist einen aussagekräftigen Internetauftritt, der die jeweilige Persönlichkeit wirklich widerspiegelt. Denn wem meine Internetseite zusagt, der ist dann auch häufig von mir als Person überzeugt. Und dann finden auch die Kunden zu einem, mit denen es harmoniert. Fotos von Aufträgen, Bewertungen von Kunden, einen guten Internetauftritt – im besten Fall auch auf Socialmedia-Plattformen – ist enorm wichtig, denn keiner möchte die Katze im Sack kaufen.

    Kann jeder freie*r Redner*in sein? Was hälst du von Angeboten wie “Freie Redner Ausbildung – 6 Tage Intensiv-Seminar”?

    Theoretisch kann sich jeder „freie*r Redner*in“ nennen, es ist kein geschützter Beruf und es gibt keine anerkannte Ausbildung. Es gibt zwar viele Rednerschulen in denen man eine Ausbildung absolvieren kann und dann teilweise sogar IHK geprüfte*r Redner*in ist, aber ich halte von den meisten dieser Angebote ehrlich gesagt nichts.

    Unsere Gesellschaft ist so geeicht, dass mittlerweile nur noch der anerkannt wird, der einen Uniabschluss hat oder du kommst aufgrund von deiner fehlenden Qualifikation nicht an eine bestimmte Position in der Firma. Das mag in einzelnen Arbeitsbereichen auch Sinn machen, aber in vielen wird die Qualifikation auf dem Papier über die tatsächliche Qualität der Leistung gestellt.

    Gerade in einem Bereich, in dem es um Emotionen, Menschlichkeit, Vertrauen und Empathie geht, sollte das Bauchgefühl, die Sympathie und der gesunde Menschenverstand gelten und nicht irgendein Zertifikat, was mir jemand verleihen kann, der selbst erst seit 2 Jahren Redner ist.

    Denn viele Fähigkeiten, die man für diesen Beruf braucht wie Sprachgefühl, Gefühle generell in Worte fassen können, zwischen den Zeilen lesen können, eine angenehme Sprechstimme haben sowie gern vor Menschen sprechen, kann man meiner Meinung nach in keinem Seminar lernen.

    Vanessa Linska vereint Emotionen und lustige Anekdoten in ihren Reden
    Vanessa Linska vereint Emotionen und lustige Anekdoten in ihren Reden

    Wie schaust Du auf die Entwicklungen in dieser Branche?

    Ich freue mich natürlich, dass es immer mehr Möglichkeiten gibt, seine Hochzeit wirklich so zu gestalten, wie man es sich selbst wünscht. Wer religiös heiraten möchte kann das tun, muss es aber nicht. Und durch freie Redner*innen haben auch jene Paare eine Chance auf eine schöne und emotionale Zeremonie, die sonst nicht religiös heiraten dürfen. Ich glaube, dass der Boom der sehr großen amerikanischen Hochzeiten langsam vorbei geht und Paare auch wieder auf kleinere und noch individuellere Hochzeiten setzen. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werden da hoffentlich in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Außerdem hoffe ich auch, dass noch mehr Paare sich trauen das Wort „frei“ wirklich auch in ihre Hochzeit zu integrieren. Man merkt doch, dass viele noch an alten Mustern festhalten und wenig hinterfragen, ob sie diese oder jene Tradition jetzt wirklich auf ihrer Hochzeit haben möchten und ob das eigentlich zu ihnen passt.

    Wie hebst Du Dich von anderen freien Redner*innen ab?

    Jede*r Redner*in hat seinen eigenen Stil. Während der eine seine Rede sehr emotional gestaltet, wird der andere vor allem für seine lustige und lockere Art gebucht. Der eine macht sich nur Stichpunkte und erzählt eher frei, der nächste hat alles ausformuliert und bringt auch schöne Zitate mit ein. Oft werden wir in erster Linie aufgrund unserer Person gebucht und erst zweitrangig aufgrund unseres Angebotes. Das ist bei anderen Hochzeitsdienstleistern oft anders. Das bringt aber auch eine ganz besondere Verantwortung mit sich.

    Ich finde eine schöne Mischung aus Emotionen und lustigen Anekdoten toll. Auch, wenn man natürlich eine gewisse Präsenz haben muss, steht das Brautpaar für mich immer im Vordergrund. Was mich vielleicht besonders von anderen Rednern unterscheidet ist, dass ich zusätzlich zum Hauptgespräch noch Fragebögen an das Brautpaar und ihre Liebsten verteile. So bekomme ich einen noch besseren Eindruck vom Paar und kann die ein oder andere Geschichte mit einbauen, die das Brautpaar vielleicht schon wieder vergessen hat oder noch nicht gekannt hat. Zum Beispiel vom ersten Eindruck der Eltern – was haben sie über den neuen Partner gedacht? Das sorgt oft für Überraschungen und Lacher.

    Natürlich wünsche auch ich dem Paar alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft, wenn aber diese Wünsche von der Trauzeugin oder dem großen Bruder kommen, bringt das natürlich nochmal eine ganz andere Emotionalität mit sich.

    Hattest Du in letzter Zeit einen “Aha-Moment”?

    Die Corona-Pandemie hat die Eventbranche hart getroffen. Bei mir sind mehr als die Hälfte meiner diesjährigen Hochzeiten ausgefallen oder verschoben worden. Die Paare müssen zwangsläufig umdenken, aber manchmal ergeben sich dadurch auch nochmal ganz neue Chancen. Warum nicht die Hochzeit wirklich im engsten Kreis feiern, aber dann auch für jeden intensiv Zeit haben und ein, zwei Jahre später ein schönes, großes Gartenfest machen?

    Herbst, Winter und Frühjahr können so viele Vorteile gegenüber Sommerhochzeiten haben, wenn man nur bereit ist, einmal von dem abzurücken, was man in Hochzeitsmagazinen oder im Internet sieht.

    Es muss nicht immer der klassische Ablauf mit Sektempfang, Gruppenfotos, Abendessen und Tanz sein. Eine ganz besondere Location mit einem Zauberer oder Karikaturisten, ein nachgebautes Casino statt Tanzfläche. Mir fallen da so viele Ideen ein, die nicht dem klassischen Bild einer Hochzeit entsprechen und trotzdem eine Menge Spaß und vor allem Erinnerungsfaktor und Widererkennungswert versprechen.

    Bist Du vor Deinen Reden noch aufgeregt?

    Ja, das bin ich. Vor allem der Moment, wo alle Gäste schon sitzen und ich alleine oder mit einem der Beiden vorn stehe und wir auf den Einzug warten. Da steigt auch mein Puls extrem in die Höhe. Das legt sich dann aber nach den ersten gesprochenen Sätzen wieder und ist wohl auch wichtig, um sich zu fokussieren und volle Konzentration auf die Zeremonie zu legen. Schließlich ist es einer der wichtigsten Tage im Leben des Brautpaares.

    Welche persönlichen Ziele verfolgst Du in den nächsten Jahren?

    Ich möchte den Bereich der Trauerreden weiter ausbauen und mich da auch mit Kollegen austauschen. Denn auch, wenn ich nicht viel von Rednerschulen halte, so halte ich doch sehr viel von Weiterentwicklung, über den Tellerrand schauen und sich auch mal mit Kollegen austauschen. Man kann immer noch Anregungen von Kollegen mitnehmen und sich gegenseitig beraten oder helfen.

    Informationsaustausch mit Kollegen ist für Vanessa ein relevanter Aspekt, um sich stetig in ihrer Arbeit weiterzuentwickeln
    Informationsaustausch mit Kollegen ist für Vanessa ein relevanter Aspekt, um sich stetig in ihrer Arbeit weiterzuentwickeln

    Ausgleich zur Arbeit?

    Ehrlich gesagt gibt es das bei mir eigentlich nicht wirklich. Meine Jobs sind sehr unterschiedlich und verlangen unterschiedliche Dinge von mir.

    Ich bin gelernte Erzieherin und arbeite Teilzeit in einem Kindergarten mit festen Arbeitszeiten, wo ich im Team zusammen und untergeordnet arbeiten muss. Ich bin viel in Bewegung und arbeite eher praktisch. In meinem Job als freie Rednerin bin ich selbstständig, bin mein eigener Chef, habe aber auch allein die Verantwortung für alles was ich tue. Ich kann mir meine Zeit frei einteilen und muss mich mit niemandem absprechen, auch das genieße ich sehr.

    Vor allem der Job als freie Rednerin erfüllt mich komplett. Fast jeder Teil meiner Arbeit bringt mir Spaß – abgesehen von Ablage oder Steuern.

    Und wenn man dann am Tag der Trauung eine Braut vor sich hat, die sagt, dass sie das schlechte Wetter sofort vergessen hat, als ich angefangen habe zu reden oder der Opa, der extra zu mir kommt um sich für seine Vorurteile gegenüber einer freien Trauung zu entschuldigen oder ein Dienstleisterkollege, der sagt, er habe noch nie so eine gute freie Trauung gehört, ist das der schönste Ausgleich.

    Abschlussteil

    Es gibt immer mal Dinge, die unvorhergesehen passieren. Es ist mir zum Beispiel schon einmal passiert, dass das Ringkind während der Trauung eingeschlafen ist und seinen Einsatz wortwörtlich verschlafen hat. Oder eine Katze ist während der Trauung auf den Trautisch gesprungen und hat mir in dem Moment ein bisschen die Show gestohlen. Die Kinder waren natürlich begeistert.

    Es passiert auch nicht gerade selten, dass die Finger vor Aufregung und Wärme so angeschwollen sind, dass der Ring nicht so leicht auf den Finger passt, wie es immer in den Hollywoodfilmen aussieht. Unglaublich wichtig ist, dass man dann in dem Moment auf die Situation reagieren kann. Nichts ist unangenehmer, als ein Redner, der dann die offensichtliche Situation ignoriert und einfach seinen Stiefel weiter durchzieht. Das spontane Reagieren auf die Situation und im besten Fall mit Lacher von den Anwesenden, ist die Königsdisziplin.

    Für Vanessa Linska stellt die Arbeit als freie Rednerin eine Erfüllung dar
    Für Vanessa Linska stellt die Arbeit als freie Rednerin eine Erfüllung dar

    Ich danke Dir für das aufschlussreiche Interview!

    Homepage von Vanessa Linska

    Vanessa Linska auf Instagram

    Vanessa Linska auf Facebook

    Interview von Stefan Kramberg mit Vanessa Linska auf Youtube

    Interview: Jana Pohlmann

    Sie benötigen Hilfe bei Ihrem Firmentext, der Abschlussarbeit oder einer Hausarbeit? Ich kann Ihnen inhaltlich oder auf der syntaktisch-grammatischen Ebene helfen. Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören.http://www.pohlmann-txt.de/kontakt

  • Was macht eigentlich Tina, ausgebildete Sängerin mit den Schwerpunkten Rock, Pop & Jazz?

    Tyna beim Dynamit Release Konzert im November im Logo in Hamburg
    Tina beim Dynamit Release Konzert im November 2019 im Logo Hamburg (Photo Credit: Zephira)

    Moin Tina, Du bist ausgebildete Sängerin mit den Schwerpunkten Rock, Pop & Jazz. Wie sieht Dein aktueller Arbeitsalltag aus?

    Hey Jana, das werde ich sehr häufig gefragt, da viele Menschen sich gar nicht vorstellen können, was man als selbstständige MusikerIn so den ganzen Tag macht. Es ist auf jeden Fall sehr abwechslungsreich, jeder Tag ist anders, jeder Tag ist neu. Mal stehe ich früh auf, mal spät, je nachdem was am Abend vorher anstand. Ich liebe es zu frühstücken und kann auf meinen Kaffee morgens nicht verzichten. Danach setze ich mich meist an meinen Laptop, checke Mails und überleg mir Dinge für Social Media. Meistens bleibe ich an den Mails und Erledingungen ziemlich lange hängen. An manchen Tagen gebe ich dann Gesangsunterricht in meinem Unterrichtsraum oder fahre in eine Musikschule. Ab und an auch ins Tonstudio, wo ich Songs für andere einsinge, die dann zum Beispiel für Werbung genutzt werden.

    An manchen Tagen finden dann auch noch Bandproben statt. Zwischendurch schreibe ich Songs, spiele Gitarre oder Klavier und treffe mich immer wieder mit anderen MusikerInnen, vernetzte mich und tausche mich aus. Das inspiriert mich. ☺ Am Wochenende bin ich normalerweise immer unterwegs und spiele Konzerte. Mal auf Festivals, Clubs, mal eigene Musik, mal Covermusik.

    Ich bin viel unterwegs und mir macht das auch riesig Spaß, weil ich mich frei entfalten kann und frei bin. Zumindest war das bis März so.

    Seit Corona hat sich alles verändert.  Die Wochenenden sind gezwungenermaßen frei und ich zähle die Tage, bis ich wieder Konzerte spielen darf. Ich nutze die Zeit, um mehr Songs zu schreiben, aber sich selbst zu motivieren, ist aktuell gar nicht so leicht. Für die Veranstaltungsbranche ist das alles gerade Horror. Wir haben Arbeitsverbot, wir sind die ersten, die nicht mehr arbeiten durften und werden die letzten sein, die wieder arbeiten dürfen.

    Seit 2013 gibt es das Musikprojekt „TYNA“. Ab 2016 ist es ein Solo-Projekt von Dir. Hat sich die Musik in der Zeit gewandelt und wo steht Deine Musik heute?

    Vor vier Jahren ist meine ehemalige Band ausgestiegen. Das hat mich damals schwer getroffen und ich habe einige Jahre gebraucht um herauszufinden, wie ich nun musikalisch weitermachen möchte. Bis 2018 habe ich immer wieder versucht nicht anzuecken und habe viele Dinge nicht gesagt, die eigentlich „raus“ wollten. Das hat sich mittlerweile geändert, auch weil ich mich persönlich sehr verändert habe. Diese ganzen Prozess habe ich in neuer Musik verarbeitet, die mich zu hundertprozent wiederspiegelt. Meine „DYNAMIT“-EP mit deutschsprachigem PopPunk mit NDW (Neue Deutsche Welle) Einfluss kam im November raus. Ich glaube aber, dass man sich immer weiterentwickelt, so wie die Musik auch. Aktuell arbeite ich gerade an neuen Songs. Diese sind noch ein bisschen NDW- lastiger.

    Gab es in Deinem Werdegang eine Person oder einen Moment, der Dich dorthin gebracht hat, wo Du jetzt bist?

    Es gibt immer wieder Momente und Menschen, die mich inspirieren. Das sind manchmal große Festivalmomente, wie das Open Flair Festival, auf dem ich bereits spielen durfte. Aber auch kleine, intime Wohnzimmerkonzerte und die Gespräche mit den Menschen vor Ort. Was mich aber auf jeden Fall im letzten Jahr sehr geprägt hat, war der Hamburger Popkurs. Ich habe meine Liebe zu Synthesizern entdeckt. Das wird man auch in den neuen Songs hören, die gerade den letzten Feinschliff bekommen.

    Mit diesem Konzert im November gewann Tyna den Krach & Getöse Preis für das beste Newcomerkonzert (Photo credit: Zephira)
    Mit diesem Konzert im November gewann die Band den Krach & Getöse Preis für das beste Newcomerkonzert (Photo Credit: Zephira)

    Wie entwickelst Du dich in der Branche weiter?

    Ich glaube, dass es wichtig ist, offen für vieles zu sein. Sich neue Musikgenres anzuhören, Sachen auszuprobieren und sich einfach selbst keine Regeln zu setzen. Im letzten Jahr durfte ich den Popkurs der Hochschule für Musik & Theater in Hamburg besuchen. Das ist ein Kontaktstudiengang, in dem es genau darum geht, sich frei zu entfalten und alle musikalischen Tabus zu brechen.

    Wolltest Du schon immer diese berufliche Richtung einschlagen?

    Eine Freundin aus Kindheitszeiten hat mir vor ein paar Jahren ein Freundschaftsbuch von früher gezeigt mit den Worten: „Guck mal, du hast tatsächlich deinen Kindheitstraum umgesetzt.“ Berufswunsch: Sängerin

    Bunt, laut und wild – Tina ist eine Vollblutmusikerin (Photo Credit: Foxontherun)

    Du setzt dich für die Deutsche Depressionshilfe ein: Wie bist Du dazu gekommen und wie sieht Dein Engagement aus.

    Pro verkaufter „DYNAMIT“ CD spende ich 1€ an die Deutsche Depressionshilfe. Viele Menschen haben immer noch Angst über psychische Krankheiten zu sprechen, für viele ist es immer noch ein Tabu-Thema. Das finde ich total schlimm, denn es sind viel mehr Menschen davon betroffen, als man denkt. Auch ich hatte sehr lange mit schlimmen Depressionen zu kämpfen und war jahrelang in Therapie. Mittlerweile kann ich damit viel besser umgehen, weiß aber auch, dass es immer ein Teil von mir sein wird. Ich möchte anderen Betroffenen Mut machen, sich Hilfe zu suchen. Da wo Regen ist, ist auch irgendwo Licht!

    Wie sieht es mit Plattenfirmen aus?

    Schwieriges Thema. Ich persönliche mache alles selber: Managen, Konzerte buchen, Social-Media, Songs schreiben, Pläne schmieden, Musikveröffentlichungen planen. Bei meiner letzten Veröffentlichung haben mir die Mädels von kosmopolit records geholfen. Ich liebe es unabhängig zu sein und finde auch, dass man heutzutage im Gegensatz zu früher kein Label (Plattenfirma) mehr haben muss. Natürlich merke allerdings immer wieder, wie sehr ich mit TYNA und meinem 24h/Tag auch an meine Grenzen stoße (es gibt keinen geregelten „Feierabend“). Ich hätte schon gerne mehr Zeit für mein Songwriting und zum Üben. Leider nimmt die meiste Zeit der ganze andere „Kram“ ein. Deshalb bin ich gerade dabei mich nach einem passenden Management/Label umzuschauen. Allerdings ist mir der zwischenmenschliche Part in der Zusammenarbeit am wichtigsten und die Liebe zu meiner Musik. Sollte das nicht passen, mache ich doch lieber wieder alles selber.

    Psssst: Das ist übrigens ein Spoiler für einen meiner neuen Songs. Der wird nämlich „Immer alles selber machen“ heißen.

    Gab es einen Aha-Moment in Deinem Job?

    Leider ist die Corona-Zeit ein großer Aha Moment. Mir wurde krass bewusst, wie wenig Wertschätzung wir MusikerInnen (sowie alle anderen Menschen aus der Veranstaltungsbranche!) erhalten. Es gibt kaum staatliche Unterstützungen für uns, wir werden alle mit Hartz4 „abgespeist“, egal wie viel Steuern wir die letzten Jahre gezahlt haben. Ich bin auch der Meinung, Gesundheit muss an erster Stelle stehen, aber es müssen andere Lösungen für alle Soloselbstständigen her! Ich höre immer das Argument: „Ihr braucht doch Rücklagen!“ – Aber wer hat schon Rücklagen, um vermutlich ein Jahr lang ohne Arbeit zu überleben?! Wir haben diesen Job aus Liebe gewählt, das ist sozusagen unsere Berufung. Für mich ist es besonders schlimm. Ich habe alle meine Rücklagen in „DYNAMIT“ gesteckt, weil ich 2020 viele Konzerte gespielt hätte. Mit diesen Einnahmen hätte ich die gesamten Kosten wieder „rückfinanziert“.

    Du hast einen Podcast, erzähle gerne etwas darüber.

    Das einzig gute an der aktuellen Situation ist, dass ich in den letzten Monaten mehr Zeit für viele anderen Dinge hatte. Ich habe schon länger über einen Podcast nachgedacht. Einen Podcast, in dem nicht nur über Musik gesprochen wird, sondern auch persönliche Themen wie eben Depressionen. Ich lade mir dazu immer mal Gäste ein wie aktuell eine Freundin, die Psychologie studiert.

    Der Tynamit Podcast, neue Folgen gibt es immer alle 4-  6 Wochen
    Der Tynamit Podcast, neue Folgen gibt es immer alle 4- 6 Wochen

    Welche persönlichen Ziele verfolgst Du in den nächsten Jahren?

    In erster Linie nur Songs zu schreiben, neue Musik veröffentlichen und mich weiterhin nicht unterkriegen lassen.

    Ausgleich zur Arbeit?

    Ich reise total gerne. Das ist ja aktuell eher schwierig, weshalb ich das Lesen wieder für mich entdeckt habe. Ich stehe total auf Fantasy und psychologische Bücher. Was ein Kontrast, aber ich mag es!

    Fantasy- und tiefgründige Bücher gehören zu Tynas Favoriten
    Fantasy- und tiefgründige Bücher gehören zu Tinas favorisierter Literatur

    Wie stehst Du zu Live Konzert Alternativen wie Online-Konzerte oder Autokonzerte?

    Ich habe ein paar Live-Stream-Konzerte gespielt und fand das auch toll. Aktuell habe ich es allerdings erstmal eingestellt, weil es einfach kein „richtiges“ Live-Konzert ersetzen kann. Genauso ist das mit Autokonzerten und Co. Ich brauche Gesichter, Schweiß und Action. Das ist aktuell so leider einfach nicht umsetzbar..

    Wie kann man Euch MusikerInnen aktuell unterstützen?

    Besucht unsere Homepages und bestellt Merchandise-Artikel. Teilt unsere Musik, packt sie in eure Playlisten, folgt uns auf allen Kanälen und erzählt es weiter.

    Satz zum Abschluss?

    Ich treffe immer viele Menschen, die geschockt sind, dass wir MusikerInnen und Bands bei Spotify pro Stream gerade mal 0,004 Cent verdienen.

    Danke Tina für das aufschlussreiche Interview!

    Interview: Jana Pohlmann

    Fotos: Zephira, foxontherun

    Tyna auf Spotify.

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    Sie benötigen Hilfe bei Ihrem Firmentext, der Abschlussarbeit oder einer Hausarbeit? Ich kann Ihnen inhaltlich oder auf der syntaktisch-grammatischen Ebene helfen. Ich freue mich darauf, von Ihnen zu hören.

  • Was macht eigentlich Denise Lentge, Heilpraktikerin und staatlich geprüfte Kosmetikerin?

    Denise Lentge vor ihrer Praxis in Hamburg-Winterhude

    Moin Denise, Du bist seit 2018 Heilpraktikerin und seit 2014 staatlich anerkannte Kosmetikerin in Deiner eigenen Praxis in Hamburg-Winterhude. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?

    Seit Juli 2019 darf ich PatientInnen in meiner Praxis in Hamburg-Winterhude begrüßen. Dort führe ich unterschiedliche Behandlungen und Therapien der Alternativmedizin oder medizinischen Kosmetik durch. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Haut, Darm und Hormone – das heißt zu mir kommen vor allem PatientInnen mit Hautproblemen wie Akne oder Neurodermitis oder Problemen mit dem Darm bzw. mit dem Hormonsystem. Ich habe täglich 8 bis 12 Behandlungs- termine und wende, je nach Beschwerden und Therapiekonzept, eine individuelle Behandlung an, um den Gesundheitszustand des Patienten zu verbessern und ihm somit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

    Wie kamst Du auf die Kombination aus Heilpraktikerin und Kosmetikerin?

    Für mich war schon seit meiner frühen Kindheit klar, dass ich Kosmetikerin werden möchte. Alle anderen Mädels hatten immer den Wunsch Tierärztin oder Lehrerin zu werden – Ich hingegen habe in die Freundebücher geschrieben, dass ich mal Kosmetikerin werden möchte. Das lag wahrscheinlich unter anderem daran, dass meine Mutter mich früh mit zu ihrer Kosmetikerin genommen hat, bei der die Stimmung sowie die Atmosphäre einfach unglaublich waren. Als ich dann selbst positive Erfahrungen mit der Alternativmedizin gemacht habe, dachte ich: „Das möchte ich auch können!“, und dachte mir weiter: „Hey, warum nicht einfach beides kombinieren?“ Während meiner Kosmetikausbildung habe ich zudem schnell gemerkt, dass mir die Kosmetik allein nicht ausreicht und ich mehr wissen, können und verändern möchte.

    In dem Zusammenhang: Deine Meinung zu Naturheilkunde vs. Schulmedizin?

    Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dass es irgendwann gar keine Debatte „Naturheilkunde vs. Schulmedizin“ mehr geben wird, sondern dass sich beide Anwendungen ergänzen. Die Schulmedizin ist wichtig und notwendig und bei akuten Erkrankungen rettet sie Leben. Dennoch bietet bei manchen Erkrankungen, vor allem bei chronischen Leiden, die Naturheilkunde einfach bessere Strategien für den Genesungsverlauf. Die Naturheilkunde sieht den Menschen ganzheitlich, also als eine Einheit aus Körper, Geist und Seele und geht dabei den Ursachen der Beschwerden auf den Grund, anstatt nur die Symptome zu behandeln. Zunächst überlegte ich auch Hautärztin zu werden, aber nach einem Praktikum in einer Hautarztpraxis war mir direkt klar: So möchte ich nicht arbeiten. Fließbandarbeit, Zeitdruck, Abfertigung, wodurch keiner der Patienten mit einem guten Gefühl aus dieser Praxis gehen wird. Womit ich der Ärztin keine Schuld zusprechen möchte, sondern das Gesundheitssystem räumt der Arzt-Patienten-Beziehung einfach nicht mehr Zeit ein. Deshalb habe ich mich dafür entschieden Heilpraktikerin zu werden, denn hier kann ich mir für meine PatientInnen soviel Zeit nehmen wie ich möchte und habe auch in der Auswahl der Therapieform und der Medikamente freie Hand. So ist es mir möglich vollkommen individuell zu arbeiten.

    Denise Lentge (28) hat ihren Traum von der eigenen Praxis wahrgemacht und arbeitet hier nach dem Motto:
    Natürlich schön gesund

    Gab es in Deinem Werdegang einen turning point, also einen Moment, der Dich zu Deinem jetzigen Beruf geführt hat?

    Ja, mein turning point war meine eigene Erkrankung bzw. mein eigener Leidensweg. Ich hatte seit meiner Kindheit immer wieder unerträgliche Bauchschmerzen, weshalb ich zweimal im Krankenhaus mit Verdacht auf Blinddarmdurchbruch war. Die Ärzte wussten nicht was mir fehlte, woraufhin mein Vater vom Chefarzt des Krankenhauses in meiner Anwesenheit mit den Worten: „Herr Lentge, Ihre Tochter ist ein Hypochonder“ abgespeist wurde. Ein paar Jahre später saß ich bei meinem Heilpraktiker, der eigentlich nur meinen Heuschnupfen behandelte und er fragte mich: „Denise, hast Du manchmal Bauchschmerzen?“ Ich war etwas überrascht, für mich war Bauchschmerz mittlerweile seit über fünf Jahren mein täglicher Begleiter. Er hat daraufhin herausgefunden, dass ich allergisch auf Gluten reagiere. Das war im Jahr 2009 – damals kannte niemand Gluten. Ich habe also meine Ernährung innerhalb von wenigen Tagen auf 100 Prozent glutenfrei umgestellt und es ging mir so gut wie nie zuvor. Die Glutenallergie wurde übrigens dann auf Anraten meines Heilpraktikers auch von meinem Hausarzt im Blut bestätigt. Nach drei Jahren strikter glutenfreier Diät und Darmtherapie konnte ich wieder alles essen und heute ernähre ich mich komplett normal, also vegetarisch, aber wieder glutenhaltig. Diese Erfahrung zeigte mir, dass ich Menschen zu mehr Gesundheit verhelfen, Leiden mindern, und Lebensqualität zurückgeben möchte.

    Was hast du vor deiner Zeit als Heilpraktikerin gemacht?

    Ich habe 2012 in Pinneberg mein Abitur gemacht, danach habe ich direkt meine zweijährige Ausbildung zur staatlich anerkannten Kosmetikerin und Fußpflegerin absolviert. Anschließend wollte ich meinen Heilpraktiker machen, aaaaber dafür muss man leider 25 Jahre alt sein, und somit war ich noch zu jung. Ich habe dann in Kiel an der CAU Ökotrophologie studiert, um die Zeit bis zur Heilpraktikerausbildung zu überbrücken. 2015 durfte ich dann meine dreijährige Vollzeitausbildung zur Heilpraktikerin an der Arcana Naturheilkunde-Akademie beginnen, die ich 2018 erfolgreich beendet habe. Für die Zulassung als Heilpraktiker folgten dann noch die Prüfungen beim Gesundheitsamt –  die wohl schwersten Prüfungen in meinem bisherigen Leben. Aber auch das habe ich gemeistert und somit darf ich mich seit Mai 2018 zu den jüngsten Heilpraktikern in Deutschland zählen. ☺ 

    Würdest du dabei im Nachhinein etwas anders machen, um dein Ziel zu erreichen?

    Ich bin kein Fan davon, Dinge zu bereuen oder mir im Nachhinein den Kopf darüber zu zerbrechen: „Was wäre, wenn…“ Und ich glaube, ich würde ehrlich gesagt alles noch einmal genau so machen. Ich hätte den Heilpraktiker gerne früher gemacht, aber das ist durch das Heilpraktikergesetz ja nicht möglich. Meine Kosmetikausbildung hat mir sehr viel gebracht, was den Umgang mit Kundinnen sowie PatientInnen angeht und da ich nebenbei im Einzelhandel gejobbt habe ,konnte ich auch Erfahrung im Verkauf sammeln. Das war für mich auch neben meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin eine gute Abwechslung.

    Denise mit ihrer Hündin Sally

    Hast Du Tipps für andere in der Branche, die beispielsweise eine eigene Praxis eröffnen wollen? 

    Hör auf Dein Bauchgefühl, glaub an Dich und Deine Vision und vertraue darauf, dass alles genau so kommt, wie es soll. Als HeilpraktikerIn macht man sich fast immer selbstständig, angestellte HeilpraktikerInnen gibt es selten. Jede Selbstständigkeit ist am Anfang zäh, weil die Menschen erst von Dir und deiner Arbeit erfahren müssen. Lass Dir dabei keine Angst einjagen, dass es so viele HeilpraktikerInnen gibt, die wenig erfolgreich sind. Setz die richtigen Hebel in Bewegung, bau ein Netzwerk auf. Und ganz wichtig: Bleib Du selbst. Ich dachte am Anfang, dass ich mich verstellen muss, um richtig professionell zu wirken. Aber das stimmt nicht – Je authentischer Du in Deiner Arbeit bist, umso erfolgreicher wirst Du sein. Davon bin ich überzeugt. In meiner Ausbildung wurde uns verboten, PatientInnen zu duzen. Ich habe mich damit nie wohl gefühlt, weil ich grundsätzlich eher locker bin und siezen total aufgesetzt finde – vor allem bei gleichaltrigen. In meiner eigenen Praxis duze ich 90 Prozent meiner PatientInnen und alle finden das großartig. Nicht nur, dass ich mir viel Zeit nehme und meine PatientInnen ernst nehme, sondern auch, dass ich auf Augenhöhe mit ihnen kommuniziere und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor ihnen stehe. Im Endeffekt ist es das allerwichtigste, dass Du dich in Deinem Job als TherapeutIn – und das bist Du als HeilpraktikerIn – 100 Prozent wohlfühlst. Welche Umstände dafür gegeben sein müssen, darfst Du selber entscheiden. ☺

    Gab es einen Aha-Moment in deinem Job?

    Puh, ich glaube, ich habe in meinem Job täglich einen Aha-Moment. Wenn man mit Patientinnen arbeitet und therapiert gibt es immer wieder Dinge, die unfassbar sind. Zusammenhänge, die sich aufzeigen, von denen man vorher nur erahnen konnte, dass sie existieren. 

    Wobei, einer der größten Aha-Momente für mich war, als ich gemerkt habe, dass man als HeilpraktikerIn schnell Erfolge, also Resultate erzielen kann. Während meiner Ausbildung haben die DozentInnen nämlich gerne gesagt, dass es Jahre dauert, um als HeilpraktikerIn richtig erfolgreich zu sein. Erfolg ist natürlich für jeden etwas anderes. Für mich bedeutet Erfolg, dass ich täglich Menschen vor mir sitzen habe, die ich auf dem Weg zu mehr Gesundheit und Lebensqualität begleite. Zu sehen, wie es Menschen durch meine Ideen, mein Wissen und meine Erfahrung besser geht, das ist für mich Erfolg und Erfüllung in einem. Dass ich von dieser Berufung leben kann macht es dann für mich absolut perfekt.

    Du hast einen Podcast, kannst Du davon noch ein wenig erzählen?

    Mein Podcast HAU(P)TSACHE natürlich schön gesund wurde im Mai diesen Jahres gelaunched, als wir uns im Corona-Lockdown befanden. Dabei wird alles thematisiert, was mit Gesundheit zu tun hat, unter anderem Ernährung, Stress und Hautpflege. Ich hatte schon seit über drei Jahren die Idee, mal einen Podcast zu starten und habe dann die Corona-Zeit dazu genutzt, meine erste Folge aufzunehmen. Ich hab’s lange erfolgreich vor mir her geschoben und wollte alles perfekt vorbereiten – im Endeffekt saß ich dann an einem Mittwochabend nach neun Stunden Arbeit abends um 22.30 Uhr in meiner Praxis vor dem Mikro und habe einfach losgesabbelt. Ohne Notizen, einfach so. Und was soll ich sagen: Die Resonanz war überwältigend. In meiner ersten Folge spreche ich darüber, wer ich bin und wie ich zu meiner Berufung gekommen bin. Dafür habe ich viel positives Feedback bekommen: Von Patienten, fremden Menschen bei Instagram, Freunden, Bekannten, Menschen, die ich ewig nicht gesehen habe. Das hat mich umgehauen und mir gezeigt: „Hey, mach das weiter!“

    Mittlerweile ist die fünfte Folge des Podcasts Hau(p)tsache online

    Musstest Du Deine Arbeitsweise aufgrund von Corona umstellen?

    Meine Öffnungszeiten habe ich nicht verändert, stattdessen habe ich eine Onlinesprechstunde eingerichtet, welche aber sowieso eingeführt werden sollte. Corona hat den Zeitpunkt also nur ein wenig vorgezogen. Die Onlinesprechstunde wird gut angenommen, nun darf ich sogar Patienten aus der Schweiz, Österreich und Süddeutschland zu meinen Patienten zählen.

    Fast jeder zweite Deutsche (46%) hat schon einmal Naturheilverfahren ausprobiert. 13% der Befragten gaben weiter an, regelmäßig alternative Heilmethoden zu nutzen.

    Statista 2018

    Wie siehst Du das Interesse der Menschen? Hast Du mehr “Anfänger” oder mehr “alte Hasen” bei Dir in der Praxis?

    Ich habe mehr Neulinge bei mir in der Praxis, aber auch einige „alte Hasen“. Ich würde sagen das Verhältnis ist 60 zu 40.

    Weswegen suchen dich die meisten Kunden auf? Gehören zu deinem Kundenstamm mehr Frauen oder Männer?

    Es sind überwiegend weibliche Patienten, da die Themen Haut, Darm und Hormone hauptsächlich die weibliche Bevölkerung betreffen. Ich würde sagen, 80 Prozent meiner PatientInnen sind weiblich. Die meisten PatientInnen kommen zu mir wegen Hautproblemen, also unreiner Haut, Akne, Rosacea,  Neurodermitis oder anderen Ekzemen. Außerdem habe ich auch viele PatientInnen mit Verdauungsbeschwerden von Magenschleimhautentzündung über Reizdarm bis Unverträglichkeiten. Außerdem hormonelle Themen wie Menstruationsbeschwerden, unerfüllter Kinderwunsch oder Probleme nach dem Absetzen der Pille.

    Mittagspause effektiv mit Hündin Sally genutzt

    Was sagst du zu dem Zitat: „Wenn man es genau nimmt, gibt es für Heilpraktiker keine wirkliche Existenzberechtigung!

    Wenn man es genau nimmt, haben HeilpraktikerInnen eine große Daseinsberechtigung: Die große Akzeptanz der PatientInnen belegt das. Ich merke, wie viele Menschen mit Hilfe der Schulmedizin ihr Leiden nicht bekämpfen können, da die Ärzte letztendlich nur die Symptome behandeln: Zum Beispiel bei Hauterkrankungen, die Verschreibung von Cortison-Salbe. Dabei haben Studien nachgewiesen, dass gerade bei chronischen Erkrankungen unter anderem die Ernährung einen immensen Einfluss auf die Gesundheit von PatientInnen hat. Trotzdem lernen Schulmediziner lediglich in zwei Vorlesungen im Zuge ihrer Ausbildung etwas zum Thema Ernährung und Gesundheit. Das reicht natürlich nicht aus, weshalb wir als HeilpraktikerInnen gefragt sind. Dabei stimme ich allerdings zu, dass die Ausbildung staatlich geregelt werden muss und dass solch eine Ausbildung, die ich genossen habe, zum Regelfall werden muss. Während meiner dreijährigen Vollzeitausbildung zur Heilpraktikerin, mit insgesamt 3.000 Stunden, lernte ich, wie man Spritzen setzt und wie man mit PatientInnen umgeht, wie man körperliche Untersuchungen durchführt und wie man dabei Notfälle ausschließt, die absolut nicht zum Heilpraktiker gehören, sondern eine Überweisung zum Hausarzt/Krankenhaus bedürfen. Ich wünsche mir, dass in den nächsten Jahren Kooperationen zwischen HeilpraktikerInnen und HausärztInnen entstehen, um die Patientenversorgung bestmöglich zu gestalten.

    Welche persönlichen Ziele verfolgst du in den nächsten Jahren?

    Beruflich gesehen, möchte ich langfristig eine Art Gesundheitszentrum aufbauen. Ich möchte dabei einen Ort erschaffen, an dem Menschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenarbeiten und somit das größte Potenzial der Heilung für Patienten schaffen.

    Wie verbringst du deine Freizeit?

    In meiner Freizeit verbringe ich viel Zeit mit meiner Hündin Sally, die mittlerweile seit über 10 Jahren meine treue Begleiterin ist. Ich liebe die Natur und es ist für mich wunderschön, meine Mittagspause mit Sally draußen im Stadtpark oder an der Alster zu verbringen. Außerdem tanze ich Afro – eine in Deutschland noch sehr unbekannte Tanzrichtung – bei OnStage. Das ist die Zeit, in der ich meinen Kopf frei bekomme, Lebensfreude tanke und ordentlich ins Schwitzen gerate. Musik gibt mir immens viel Energie, ich tanze und singe eigentlich immer – wenn nicht gerade ein(e) Patient(in) im Haus ist. ☺ Und natürlich verbringe ich liebend gerne Zeit mit meinen Lieblingsmenschen, also Family und Freunden!

    Würdest du zum Abschluss eine Anekdote aus deinem beruflichen Alltag erzählen?

    Puh.. Ich erlebe so einige witzige Situationen mit PatientInnen. Die bisher witzigste Situation war wohl, dass ein Patient mal davon ausgegangen ist, dass ich im Keller unter meiner Praxis selbst die Stuhlproben analysiere. Er wollte mir seine Stuhlprobe also gerne persönlich direkt vorbei bringen. Ich habe ihn dann darüber aufgeklärt, dass ich das ganz gerne dem Labor überlasse. ☺

    Mit Spaß bei der Arbeit

    Und etwas zum Grübeln: Your body is your temple. Der Körper ist der Tempel, in dem wir ein Leben lang wohnen dürfen. Wir betanken unser Auto mit dem besten Benzin, lassen es regelmäßig checken, kaufen die besten Reifen, aber wenn es um unseren Körper geht, nehmen die meisten Menschen die Gesundheit leider heutzutage noch als zu selbstverständlich an und vernachlässigen ihren Körper.

    In diesem Sinne, danke Denise für dieses aufschlussreiche Interview.

    Kleine Tanzeinlage mit Denise Lentge (links) und ihrer Tanzgruppe OnStage vor dem Planetarium in Hamburg

    Interview: Jana Pohlmann

    Fotos: Jana Pohlmann

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