
Moin Gloria, Du bist angestellt als geisteswissenschaftliche Referentin und sozialpädagogische Mitarbeiterin im Jugendmigrationsdienst des CJD Nord. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?
Ich bin im CJD Nord im Bereich Migration, Forschung und Beratung tätig. Zum einen als Sozialforscherin und Referentin, zum anderen als sozialpädagogische Mitarbeiterin im Jugendmigrationsdienst. Ich forsche derzeit im Rahmen zweier EU-Projekte zu den Themen Opfer rechter Gewalt und Radikalisierungsprävention. Daher verbringe ich einerseits natürlich recht viel Zeit vor meinem Laptop, recherchiere und schreibe. Ich darf in diesem Bereich jedoch auch Expert*innen interviewen und transnationale Austausche organisieren, sodass ich –soweit möglich- auch regelmäßig unsere Projektpartner*innen in Portugal, Spanien, Italien oder auch Slowenien besuchen darf. Als Mitarbeitende des Jugendmigrationsdienstes war ich seit Ende 2018 im Rahmen eines Projekts in vielen Jugendtreffs unterwegs, um junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund für gemeinsame Aktivitäten zu begeistern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Unter anderem durfte ich auch in einer Geflüchtetenunterkunft in Kiel aktiv sein, was mich sehr geprägt hat. Das Projekt endete jedoch im Juni 2020. Seither bin ich vor allem dafür zuständig, Gruppenangebote für unsere Zielgruppe zu konzipieren und durchzuführen, sowie Fortbildungen und Workshops zu Themen wie Diskriminierung, Radikalisierungsprävention oder interkultureller Sensibilisierung zu entwickeln. Außerdem ist Netzwerkarbeit natürlich ein wichtiger Teil meiner Arbeit.
Wie viel Pädagogik und wie viel Wissenschaft steckt in Deinem Aufgabengebiet?
Mein Job hat 2018 sehr praktisch begonnen, wurde mit der Zeit aber immer theoretischer. Ich war im letzten Jahr sehr viel im Kontakt mit Jugendlichen, habe Multimedia- oder auch Graffiti-Workshops mit ihnen durchgeführt und viel von ihnen erfahren dürfen. Diese Erfahrungen helfen mir jetzt sehr für meine wissenschaftliche Arbeit und die Erarbeitung von Fortbildungen oder Workshops, die andere Menschen für Themen wie Migration und Diskriminierung sensibilisieren wollen. Durchgeführt werden diese wiederum in Schulen oder Vereinen, sodass ein stetes Zusammenspiel aus Pädagogik und Wissenschaft entsteht, was mich sehr freut.
Wie bist Du zu dieser Position gekommen? Dein Universitäts-Abschluss “Master of Arts in international vergleichender Soziologie und Politikwissenschaften” lässt zunächst eine andere Idee von Anstellung aufkommen?
Durch mein Studium bekam ich umfangreiche Einblicke in gesellschaftliche Prozesse und Phänomene und verspürte mehr und mehr den Wunsch, dass Menschen sich über Themen wie soziale Ungleichheit, Migration oder Feminismus informieren bzw. informiert werden sollten, um so Vorurteile abzubauen. Auch Praktika, zum Beispiel bei der Heinrich-Böll-Stiftung, haben den Berufswunsch Referentin in mir befeuert. Da ich schon immer gerne Vorträge gehalten, Texte geschrieben und diskutiert habe, war die Anstellung beim CJD eine tolle Chance für mich, dies umzusetzen. In meine pädagogische Tätigkeit bin ich durch Praktika und Fortbildungen nach und nach hineingewachsen. Dieser Bereich ist nämlich tatsächlich ein neuer für mich, der jedoch sehr viel Abwechslung in meinen Alltag bringt.

Was hast du vor deiner jetzigen Anstellung gemacht?
Ich habe mich schon in der Schule sehr für Politik und Philosophie interessiert. Mein Studium, auf das ich dann jedoch aufgrund von viel zu viel Auswahl eher spontan gestoßen bin, hat meinen Horizont in der Hinsicht sehr erweitert. Neben dem Studium habe ich einige Nebenjobs gehabt, die längste Zeit war ich jedoch als Barista in einer Kaffeerösterei tätig. Ich habe jedoch auch als Projektassistentin beispielsweise interaktive Ausstellungen für Kinder und Jugendliche betreuen dürfen oder Teambuilding-Events für Unternehmen durchgeführt. Das alles zeigte mir, dass ich Lust auf die Arbeit mit Menschen habe. Lange Zeit dachte ich jedoch, ich bräuchte mehr Sicherheit und sollte mich weiter in Richtung Wirtschaft entwickeln, sodass ich auch hier Praktika machte und mich zum Beispiel im Bereich Personalmanagement sah. Jedoch merkte ich, dass es mir viel mehr darauf ankommt, dass mein Job mir wirklich Spaß macht, ich flexibel sein kann und neue Dinge lerne und sehe.
Würdest Du dabei im Nachhinein etwas anders machen, um Dein Ziel zu erreichen?
Ich bin im Großen und Ganzen sehr zufrieden mit dem Weg, den ich gegangen bin. Ich habe jedoch versucht, im Master das Fach Pädagogik dazu zu wählen oder zu wechseln, was ich jedoch nicht durfte. Im Nachhinein würde ich mich mehr dahinter klemmen. Auch hätte ich gerne ein Auslandssemester oder –praktikum gemacht.
War es schwierig für Dich in der Branche Fuß zu fassen und hast Du Tipps für andere Interessierte?
Es war in dem Sinne schwierig, als dass die Jobausschreibungen, in denen Soziolog*innen und Politikwissenschafter*innen gesucht werden, eher rar gesät sind. Viele können sich nur schwer vorstellen, was man kann. Daher sind Praxiserfahrungen durch Praktika, ehrenamtliche Tätigkeiten und Nebenjobs extrem wichtig, um sich gut zu verkaufen. Außerdem hilft es auch für das spätere Arbeitsleben die ein oder anderen Kontakte in der Branche zu haben.
Das Christliche Jugenddorfwerk Deutschlands e.V. ist ein Bildungs- und Sozialunternehmen, welches seine Arbeit auf Basis des christlichen Menschenbildes gestaltet.
https://www.cjd.de/ueber-uns/profil/
Inwiefern spielt der Glaube eine Rolle in Deinem Job?
Ich muss gestehen, dass mich der Name „Christliches Jugenddorfwerk“ zunächst auch irritiert hat und ich nicht so wirklich wusste, wer und was da nun auf mich zukommt. Bereits beim Bewerbungsgespräch merkte ich jedoch, wie locker und offen die Atmosphäre im Team ist. Aufgrund der Geschichte und Konzeption des Bildungsträgers ist der christliche Glaube natürlich erwünscht, jedoch wird niemand ausgeschlossen, der nicht Mitglied einer Kirche ist und auch das Missionieren gehört in keinster Form zu den Aufgaben der Mitarbeitenden. Letztlich geht es darum, wie auch bei anderen Trägern, christliche Werte wie Respekt und Toleranz gegenüber anderen in der täglichen Arbeit zu vertreten und nach außen zu tragen. Ich denke damit können sich viele Menschen identifizieren.
Gab es einen Aha-Moment in Deinem Job?
Wie bereits erwähnt habe ich mich schon vor meiner Anstellung beim CJD Nord Ende 2018 sehr für politische und gesellschaftliche Themen interessiert. Durch den engen Kontakt mit Jugendlichen habe ich jedoch noch einmal eine andere Perspektive auf manche Themen einnehmen können. Besonders die Arbeit mit geflüchteten Jugendlichen, ihre Schilderungen und ihr Lebensumfeld haben mich sehr geprägt und meinen Wunsch noch einmal verstärkt, Mauern in den Köpfen anderer Menschen abbauen zu wollen.
Hatte Corona einen Einfluss auf Deine Arbeitsweise?
Auch vor Corona war Homeoffice bei uns möglich, trotzdem haben wir uns im Team meist vier Mal die Woche gesehen. Durch Corona war dies nur noch via Videokonferenz möglich. Auch zukünftig werden wir das Homeoffice weiter ausbauen, trotzdem ist der persönliche Kontakt unersetzbar. Durch Corona war es uns außerdem nicht mehr möglich, mit unserer Zielgruppe im Kontakt zu bleiben, sodass wir umdenken mussten, um junge Menschen auch von zu Hause aus zu erreichen. Ein Teil des Teams hat daher einen Youtubekanal ins Leben gerufen, auf dem sich junge Menschen zu Themen, die sie in diesen verrückten Zeiten beschäftigen, zu Wort melden konnten. Außerdem haben wir Videos dazu gedreht, wie man sich die Zeit sinnvoll vertreiben kann und beispielsweise zum Thema Maskenpflicht aufgeklärt. Vor der Kamera sitzen und Videos drehen war für uns alle etwas komplett Neues und hat anfangs wirklich Überwindung gekostet. Am Ende hat es aber Spaß gemacht und ich konnte daran wachsen.

Welche persönlichen Ziele verfolgst Du in den nächsten Jahren?
Mein Ziel ist lebenslanges Lernen, sodass ich mich gerne in verschiedenen Bereichen weiterbilden würde. Ich möchte weiter in die Materie Pädagogik und Soziale Arbeit einsteigen. Außerdem möchte ich mir die Flexibilität im Job beibehalten und sehe mich auch in Zukunft in keiner typischen 9 to 5-Anstellung. Für mich ist mein Job nicht der Mittelpunkt meines Lebens, mir ist Balance wichtig. Nur wenn ich auch privat zufrieden bin und mich weiterentwickel, kann ich meinen Job mit Leidenschaft ausüben.
Hast Du einen Ausgleich zur Arbeit?
Für mich ist ein aktives Hobby als Ausgleich zur Arbeit am Laptop unverzichtbar. Daher findet man mich auf meiner Matte sowohl mit Sonnengrüßen als auch mit Gewichten wieder. Ich bin außerdem gemeinsam mit meinen Freund sehr viel mit dem Rad in der Natur unterwegs. Reisen ist eine große Leidenschaft von mir, die ich derzeit jedoch auf Deutschland und Umgebung geschränkte. Ich freue mich jedoch auch sehr, wenn es mal wieder in die Ferne geht.

Vielen Dank für das Interview !
Interview: Jana Pohlmann
Fotos: Isabelle Glogau
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