Schlagwort: Kosmetikerin

  • Was macht eigentlich Denise Lentge, Heilpraktikerin und staatlich geprüfte Kosmetikerin?

    Denise Lentge vor ihrer Praxis in Hamburg-Winterhude

    Moin Denise, Du bist seit 2018 Heilpraktikerin und seit 2014 staatlich anerkannte Kosmetikerin in Deiner eigenen Praxis in Hamburg-Winterhude. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?

    Seit Juli 2019 darf ich PatientInnen in meiner Praxis in Hamburg-Winterhude begrüßen. Dort führe ich unterschiedliche Behandlungen und Therapien der Alternativmedizin oder medizinischen Kosmetik durch. Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Haut, Darm und Hormone – das heißt zu mir kommen vor allem PatientInnen mit Hautproblemen wie Akne oder Neurodermitis oder Problemen mit dem Darm bzw. mit dem Hormonsystem. Ich habe täglich 8 bis 12 Behandlungs- termine und wende, je nach Beschwerden und Therapiekonzept, eine individuelle Behandlung an, um den Gesundheitszustand des Patienten zu verbessern und ihm somit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen.

    Wie kamst Du auf die Kombination aus Heilpraktikerin und Kosmetikerin?

    Für mich war schon seit meiner frühen Kindheit klar, dass ich Kosmetikerin werden möchte. Alle anderen Mädels hatten immer den Wunsch Tierärztin oder Lehrerin zu werden – Ich hingegen habe in die Freundebücher geschrieben, dass ich mal Kosmetikerin werden möchte. Das lag wahrscheinlich unter anderem daran, dass meine Mutter mich früh mit zu ihrer Kosmetikerin genommen hat, bei der die Stimmung sowie die Atmosphäre einfach unglaublich waren. Als ich dann selbst positive Erfahrungen mit der Alternativmedizin gemacht habe, dachte ich: „Das möchte ich auch können!“, und dachte mir weiter: „Hey, warum nicht einfach beides kombinieren?“ Während meiner Kosmetikausbildung habe ich zudem schnell gemerkt, dass mir die Kosmetik allein nicht ausreicht und ich mehr wissen, können und verändern möchte.

    In dem Zusammenhang: Deine Meinung zu Naturheilkunde vs. Schulmedizin?

    Ehrlich gesagt wünsche ich mir, dass es irgendwann gar keine Debatte „Naturheilkunde vs. Schulmedizin“ mehr geben wird, sondern dass sich beide Anwendungen ergänzen. Die Schulmedizin ist wichtig und notwendig und bei akuten Erkrankungen rettet sie Leben. Dennoch bietet bei manchen Erkrankungen, vor allem bei chronischen Leiden, die Naturheilkunde einfach bessere Strategien für den Genesungsverlauf. Die Naturheilkunde sieht den Menschen ganzheitlich, also als eine Einheit aus Körper, Geist und Seele und geht dabei den Ursachen der Beschwerden auf den Grund, anstatt nur die Symptome zu behandeln. Zunächst überlegte ich auch Hautärztin zu werden, aber nach einem Praktikum in einer Hautarztpraxis war mir direkt klar: So möchte ich nicht arbeiten. Fließbandarbeit, Zeitdruck, Abfertigung, wodurch keiner der Patienten mit einem guten Gefühl aus dieser Praxis gehen wird. Womit ich der Ärztin keine Schuld zusprechen möchte, sondern das Gesundheitssystem räumt der Arzt-Patienten-Beziehung einfach nicht mehr Zeit ein. Deshalb habe ich mich dafür entschieden Heilpraktikerin zu werden, denn hier kann ich mir für meine PatientInnen soviel Zeit nehmen wie ich möchte und habe auch in der Auswahl der Therapieform und der Medikamente freie Hand. So ist es mir möglich vollkommen individuell zu arbeiten.

    Denise Lentge (28) hat ihren Traum von der eigenen Praxis wahrgemacht und arbeitet hier nach dem Motto:
    Natürlich schön gesund

    Gab es in Deinem Werdegang einen turning point, also einen Moment, der Dich zu Deinem jetzigen Beruf geführt hat?

    Ja, mein turning point war meine eigene Erkrankung bzw. mein eigener Leidensweg. Ich hatte seit meiner Kindheit immer wieder unerträgliche Bauchschmerzen, weshalb ich zweimal im Krankenhaus mit Verdacht auf Blinddarmdurchbruch war. Die Ärzte wussten nicht was mir fehlte, woraufhin mein Vater vom Chefarzt des Krankenhauses in meiner Anwesenheit mit den Worten: „Herr Lentge, Ihre Tochter ist ein Hypochonder“ abgespeist wurde. Ein paar Jahre später saß ich bei meinem Heilpraktiker, der eigentlich nur meinen Heuschnupfen behandelte und er fragte mich: „Denise, hast Du manchmal Bauchschmerzen?“ Ich war etwas überrascht, für mich war Bauchschmerz mittlerweile seit über fünf Jahren mein täglicher Begleiter. Er hat daraufhin herausgefunden, dass ich allergisch auf Gluten reagiere. Das war im Jahr 2009 – damals kannte niemand Gluten. Ich habe also meine Ernährung innerhalb von wenigen Tagen auf 100 Prozent glutenfrei umgestellt und es ging mir so gut wie nie zuvor. Die Glutenallergie wurde übrigens dann auf Anraten meines Heilpraktikers auch von meinem Hausarzt im Blut bestätigt. Nach drei Jahren strikter glutenfreier Diät und Darmtherapie konnte ich wieder alles essen und heute ernähre ich mich komplett normal, also vegetarisch, aber wieder glutenhaltig. Diese Erfahrung zeigte mir, dass ich Menschen zu mehr Gesundheit verhelfen, Leiden mindern, und Lebensqualität zurückgeben möchte.

    Was hast du vor deiner Zeit als Heilpraktikerin gemacht?

    Ich habe 2012 in Pinneberg mein Abitur gemacht, danach habe ich direkt meine zweijährige Ausbildung zur staatlich anerkannten Kosmetikerin und Fußpflegerin absolviert. Anschließend wollte ich meinen Heilpraktiker machen, aaaaber dafür muss man leider 25 Jahre alt sein, und somit war ich noch zu jung. Ich habe dann in Kiel an der CAU Ökotrophologie studiert, um die Zeit bis zur Heilpraktikerausbildung zu überbrücken. 2015 durfte ich dann meine dreijährige Vollzeitausbildung zur Heilpraktikerin an der Arcana Naturheilkunde-Akademie beginnen, die ich 2018 erfolgreich beendet habe. Für die Zulassung als Heilpraktiker folgten dann noch die Prüfungen beim Gesundheitsamt –  die wohl schwersten Prüfungen in meinem bisherigen Leben. Aber auch das habe ich gemeistert und somit darf ich mich seit Mai 2018 zu den jüngsten Heilpraktikern in Deutschland zählen. ☺ 

    Würdest du dabei im Nachhinein etwas anders machen, um dein Ziel zu erreichen?

    Ich bin kein Fan davon, Dinge zu bereuen oder mir im Nachhinein den Kopf darüber zu zerbrechen: „Was wäre, wenn…“ Und ich glaube, ich würde ehrlich gesagt alles noch einmal genau so machen. Ich hätte den Heilpraktiker gerne früher gemacht, aber das ist durch das Heilpraktikergesetz ja nicht möglich. Meine Kosmetikausbildung hat mir sehr viel gebracht, was den Umgang mit Kundinnen sowie PatientInnen angeht und da ich nebenbei im Einzelhandel gejobbt habe ,konnte ich auch Erfahrung im Verkauf sammeln. Das war für mich auch neben meiner Ausbildung zur Heilpraktikerin eine gute Abwechslung.

    Denise mit ihrer Hündin Sally

    Hast Du Tipps für andere in der Branche, die beispielsweise eine eigene Praxis eröffnen wollen? 

    Hör auf Dein Bauchgefühl, glaub an Dich und Deine Vision und vertraue darauf, dass alles genau so kommt, wie es soll. Als HeilpraktikerIn macht man sich fast immer selbstständig, angestellte HeilpraktikerInnen gibt es selten. Jede Selbstständigkeit ist am Anfang zäh, weil die Menschen erst von Dir und deiner Arbeit erfahren müssen. Lass Dir dabei keine Angst einjagen, dass es so viele HeilpraktikerInnen gibt, die wenig erfolgreich sind. Setz die richtigen Hebel in Bewegung, bau ein Netzwerk auf. Und ganz wichtig: Bleib Du selbst. Ich dachte am Anfang, dass ich mich verstellen muss, um richtig professionell zu wirken. Aber das stimmt nicht – Je authentischer Du in Deiner Arbeit bist, umso erfolgreicher wirst Du sein. Davon bin ich überzeugt. In meiner Ausbildung wurde uns verboten, PatientInnen zu duzen. Ich habe mich damit nie wohl gefühlt, weil ich grundsätzlich eher locker bin und siezen total aufgesetzt finde – vor allem bei gleichaltrigen. In meiner eigenen Praxis duze ich 90 Prozent meiner PatientInnen und alle finden das großartig. Nicht nur, dass ich mir viel Zeit nehme und meine PatientInnen ernst nehme, sondern auch, dass ich auf Augenhöhe mit ihnen kommuniziere und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger vor ihnen stehe. Im Endeffekt ist es das allerwichtigste, dass Du dich in Deinem Job als TherapeutIn – und das bist Du als HeilpraktikerIn – 100 Prozent wohlfühlst. Welche Umstände dafür gegeben sein müssen, darfst Du selber entscheiden. ☺

    Gab es einen Aha-Moment in deinem Job?

    Puh, ich glaube, ich habe in meinem Job täglich einen Aha-Moment. Wenn man mit Patientinnen arbeitet und therapiert gibt es immer wieder Dinge, die unfassbar sind. Zusammenhänge, die sich aufzeigen, von denen man vorher nur erahnen konnte, dass sie existieren. 

    Wobei, einer der größten Aha-Momente für mich war, als ich gemerkt habe, dass man als HeilpraktikerIn schnell Erfolge, also Resultate erzielen kann. Während meiner Ausbildung haben die DozentInnen nämlich gerne gesagt, dass es Jahre dauert, um als HeilpraktikerIn richtig erfolgreich zu sein. Erfolg ist natürlich für jeden etwas anderes. Für mich bedeutet Erfolg, dass ich täglich Menschen vor mir sitzen habe, die ich auf dem Weg zu mehr Gesundheit und Lebensqualität begleite. Zu sehen, wie es Menschen durch meine Ideen, mein Wissen und meine Erfahrung besser geht, das ist für mich Erfolg und Erfüllung in einem. Dass ich von dieser Berufung leben kann macht es dann für mich absolut perfekt.

    Du hast einen Podcast, kannst Du davon noch ein wenig erzählen?

    Mein Podcast HAU(P)TSACHE natürlich schön gesund wurde im Mai diesen Jahres gelaunched, als wir uns im Corona-Lockdown befanden. Dabei wird alles thematisiert, was mit Gesundheit zu tun hat, unter anderem Ernährung, Stress und Hautpflege. Ich hatte schon seit über drei Jahren die Idee, mal einen Podcast zu starten und habe dann die Corona-Zeit dazu genutzt, meine erste Folge aufzunehmen. Ich hab’s lange erfolgreich vor mir her geschoben und wollte alles perfekt vorbereiten – im Endeffekt saß ich dann an einem Mittwochabend nach neun Stunden Arbeit abends um 22.30 Uhr in meiner Praxis vor dem Mikro und habe einfach losgesabbelt. Ohne Notizen, einfach so. Und was soll ich sagen: Die Resonanz war überwältigend. In meiner ersten Folge spreche ich darüber, wer ich bin und wie ich zu meiner Berufung gekommen bin. Dafür habe ich viel positives Feedback bekommen: Von Patienten, fremden Menschen bei Instagram, Freunden, Bekannten, Menschen, die ich ewig nicht gesehen habe. Das hat mich umgehauen und mir gezeigt: „Hey, mach das weiter!“

    Mittlerweile ist die fünfte Folge des Podcasts Hau(p)tsache online

    Musstest Du Deine Arbeitsweise aufgrund von Corona umstellen?

    Meine Öffnungszeiten habe ich nicht verändert, stattdessen habe ich eine Onlinesprechstunde eingerichtet, welche aber sowieso eingeführt werden sollte. Corona hat den Zeitpunkt also nur ein wenig vorgezogen. Die Onlinesprechstunde wird gut angenommen, nun darf ich sogar Patienten aus der Schweiz, Österreich und Süddeutschland zu meinen Patienten zählen.

    Fast jeder zweite Deutsche (46%) hat schon einmal Naturheilverfahren ausprobiert. 13% der Befragten gaben weiter an, regelmäßig alternative Heilmethoden zu nutzen.

    Statista 2018

    Wie siehst Du das Interesse der Menschen? Hast Du mehr “Anfänger” oder mehr “alte Hasen” bei Dir in der Praxis?

    Ich habe mehr Neulinge bei mir in der Praxis, aber auch einige „alte Hasen“. Ich würde sagen das Verhältnis ist 60 zu 40.

    Weswegen suchen dich die meisten Kunden auf? Gehören zu deinem Kundenstamm mehr Frauen oder Männer?

    Es sind überwiegend weibliche Patienten, da die Themen Haut, Darm und Hormone hauptsächlich die weibliche Bevölkerung betreffen. Ich würde sagen, 80 Prozent meiner PatientInnen sind weiblich. Die meisten PatientInnen kommen zu mir wegen Hautproblemen, also unreiner Haut, Akne, Rosacea,  Neurodermitis oder anderen Ekzemen. Außerdem habe ich auch viele PatientInnen mit Verdauungsbeschwerden von Magenschleimhautentzündung über Reizdarm bis Unverträglichkeiten. Außerdem hormonelle Themen wie Menstruationsbeschwerden, unerfüllter Kinderwunsch oder Probleme nach dem Absetzen der Pille.

    Mittagspause effektiv mit Hündin Sally genutzt

    Was sagst du zu dem Zitat: „Wenn man es genau nimmt, gibt es für Heilpraktiker keine wirkliche Existenzberechtigung!

    Wenn man es genau nimmt, haben HeilpraktikerInnen eine große Daseinsberechtigung: Die große Akzeptanz der PatientInnen belegt das. Ich merke, wie viele Menschen mit Hilfe der Schulmedizin ihr Leiden nicht bekämpfen können, da die Ärzte letztendlich nur die Symptome behandeln: Zum Beispiel bei Hauterkrankungen, die Verschreibung von Cortison-Salbe. Dabei haben Studien nachgewiesen, dass gerade bei chronischen Erkrankungen unter anderem die Ernährung einen immensen Einfluss auf die Gesundheit von PatientInnen hat. Trotzdem lernen Schulmediziner lediglich in zwei Vorlesungen im Zuge ihrer Ausbildung etwas zum Thema Ernährung und Gesundheit. Das reicht natürlich nicht aus, weshalb wir als HeilpraktikerInnen gefragt sind. Dabei stimme ich allerdings zu, dass die Ausbildung staatlich geregelt werden muss und dass solch eine Ausbildung, die ich genossen habe, zum Regelfall werden muss. Während meiner dreijährigen Vollzeitausbildung zur Heilpraktikerin, mit insgesamt 3.000 Stunden, lernte ich, wie man Spritzen setzt und wie man mit PatientInnen umgeht, wie man körperliche Untersuchungen durchführt und wie man dabei Notfälle ausschließt, die absolut nicht zum Heilpraktiker gehören, sondern eine Überweisung zum Hausarzt/Krankenhaus bedürfen. Ich wünsche mir, dass in den nächsten Jahren Kooperationen zwischen HeilpraktikerInnen und HausärztInnen entstehen, um die Patientenversorgung bestmöglich zu gestalten.

    Welche persönlichen Ziele verfolgst du in den nächsten Jahren?

    Beruflich gesehen, möchte ich langfristig eine Art Gesundheitszentrum aufbauen. Ich möchte dabei einen Ort erschaffen, an dem Menschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenarbeiten und somit das größte Potenzial der Heilung für Patienten schaffen.

    Wie verbringst du deine Freizeit?

    In meiner Freizeit verbringe ich viel Zeit mit meiner Hündin Sally, die mittlerweile seit über 10 Jahren meine treue Begleiterin ist. Ich liebe die Natur und es ist für mich wunderschön, meine Mittagspause mit Sally draußen im Stadtpark oder an der Alster zu verbringen. Außerdem tanze ich Afro – eine in Deutschland noch sehr unbekannte Tanzrichtung – bei OnStage. Das ist die Zeit, in der ich meinen Kopf frei bekomme, Lebensfreude tanke und ordentlich ins Schwitzen gerate. Musik gibt mir immens viel Energie, ich tanze und singe eigentlich immer – wenn nicht gerade ein(e) Patient(in) im Haus ist. ☺ Und natürlich verbringe ich liebend gerne Zeit mit meinen Lieblingsmenschen, also Family und Freunden!

    Würdest du zum Abschluss eine Anekdote aus deinem beruflichen Alltag erzählen?

    Puh.. Ich erlebe so einige witzige Situationen mit PatientInnen. Die bisher witzigste Situation war wohl, dass ein Patient mal davon ausgegangen ist, dass ich im Keller unter meiner Praxis selbst die Stuhlproben analysiere. Er wollte mir seine Stuhlprobe also gerne persönlich direkt vorbei bringen. Ich habe ihn dann darüber aufgeklärt, dass ich das ganz gerne dem Labor überlasse. ☺

    Mit Spaß bei der Arbeit

    Und etwas zum Grübeln: Your body is your temple. Der Körper ist der Tempel, in dem wir ein Leben lang wohnen dürfen. Wir betanken unser Auto mit dem besten Benzin, lassen es regelmäßig checken, kaufen die besten Reifen, aber wenn es um unseren Körper geht, nehmen die meisten Menschen die Gesundheit leider heutzutage noch als zu selbstverständlich an und vernachlässigen ihren Körper.

    In diesem Sinne, danke Denise für dieses aufschlussreiche Interview.

    Kleine Tanzeinlage mit Denise Lentge (links) und ihrer Tanzgruppe OnStage vor dem Planetarium in Hamburg

    Interview: Jana Pohlmann

    Fotos: Jana Pohlmann

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