Schlagwort: empathisch

  • Was macht eigentlich Vanessa Linska, freie Rednerin und Erzieherin?

    Vanessa Linska (31) begleitet von April bis September fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten
    Vanessa Linska (31) begleitet von April bis September fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten

    Moin Vanessa, Du bist seit 2016 freie Rednerin. Was hat Dich an dieser Tätigkeit gereizt und wie sieht Deine Woche so aus?

    Moin Jana; Es ist einfach toll, wenn dir Menschen so vertrauen, dass sie dir ihre ganz persönliche und private Liebesgeschichte erzählen möchten. Das dann in einer Rede zu verpacken, die für alle sichtbar macht, warum diese Beziehung dieser beiden Menschen so besonders ist, bringt einfach unheimlich viel Spaß. Und wenn das Brautpaar nach der Rede zu mir kommt und sagt, dass ich ihre Geschichte perfekt erzählt habe – oder sogar ihre Erwartungen übertroffen habe, – dann ist das ein unbeschreibliches Gefühl.

    In Bezug auf meine Reden verläuft die Arbeit eher in Phasen. Im Sommer und Winter sind die meisten Heiratsanträge, sodass das auch die Monate sind, wo ich mehrmals die Woche Anfragen für Trauungen bekomme. Das geschieht ca. 1 Jahr vor der geplanten Hochzeit. Zeitnah treffe ich mich dann mit diesen Paaren zu einem unverbindlichen Kennenlerngespräch.

    Im Winter verteile ich Fragebögen an die Brautpaare und ihre Liebsten und vereinbare einen Termin für unser Hauptgespräch. Dieses Hauptgespräch muss vor- und nachbereitet werden. Ich beginne meist schon im Januar oder Februar mit dem Schreiben der ersten Reden für die kommende Saison, das zieht sich dann bis in den Mai. Die Hochzeitssaison an sich ist dann meist von Ende April bis Ende September, wo ich fast jedes Wochenende 1-2 Hochzeiten begleite. Und nebenbei müssen natürlich Arbeiten wie Ablage, Steuern, Homepage überarbeiten, Planung für Messen usw. abgearbeitet werden.

    Viele sehen nur den Tag der Trauung, aber ehrlich gesagt ist das der angenehmste und geringste Teil meiner Arbeit.

    Was für Reden bietest du an?

    In erster Linie werde ich für Hochzeiten gebucht. In einer Saison betreue ich zwischen 20 und 30 Hochzeiten. Ich begleite aber auch immer wieder Willkommensfeiern für Kinder. Es gibt Eltern, die ihr Kind nicht taufen lassen wollen oder es später selbst diese Entscheidung treffen lassen möchten.

    Seit neustem ist der sehr große und sensible Bereich der Trauerreden hinzugekommen. Auch hier gibt es Menschen, die keinen Bezug zur Kirche hatten und in einer freien Trauerfeier verabschiedet werden möchten.

    Im letzten Jahr habe ich ein 25-Jähriges Firmenjubiläum mit 250 geladenen Gästen als Moderatorin begleitet und durch den Abend geführt.

    Außerdem habe ich auch schon Reden für überforderte Väter oder sehr emotionale Schwestern geschrieben bzw. ihnen geholfen ihre Gedanken in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

    Vanessa Linska spricht nicht nur auf Hochzeiten, sondern vermittelt auch zwischen Familienmitgliedern
    Vanessa Linska spricht nicht nur auf Hochzeiten, sondern vermittelt auch zwischen Familienmitgliedern

    Wie sieht Dein Werdegang aus? Gab es in Deinem Werdegang eine Person oder einen Moment, der Dich zu dieser Idee inspiriert hat?

    Tatsächlich bin ich in diesen Beruf eher zufällig reingerutscht. Meine Schwester hat 2016 eine*n freie*n Redner*in für ihre Hochzeit gesucht und meinte eher im Scherz zu mir: „Das ist doch voll dein Ding, warum machst du das nicht?“ Ich kannte diesen Beruf vorher gar nicht und habe mich dann informiert und gemerkt: Sie hat recht!

    Seitdem ich klein war, habe ich schon immer Geschichten oder Briefe an meine Familie geschrieben. Ich habe leicht auswendig lernen können und gerne meine ganze Familie damit terrorisiert, dass ich meine Kassetten oder die Fernsehwerbung nachgeplappert habe. Später haben mich Musiktexte mit einer Botschaft beschäftigt und beeindruckt. Das waren Reime oder Wortspiele im Deutschrap, aber auch emotionale Botschaften bei deutschen Liedermachern.

    Ich habe später bei Poetry Slams mitgemacht und meine eigenen Texte geschrieben. Das war ein extrem wichtiger Schritt und eine sehr gute Schule für mich, um als freie Rednerin zuarbeiten.

    Ausschnitt von einem Poetry Slam Auftritt

    Du bist Anfang November 2017 nach Baden-Württemberg gezogen, wie hast Du Dir Deinen Kundenstamm aufgebaut?; Was empfiehlst Du anderen, die in dieser Branche Fuß fassen möchten?

    Ich wusste zum Glück schon eine ganze Zeit, dass ich nach Baden-Württemberg ziehen werde und habe dann auch dort die Werbetrommel in Form von Internet-Portalen für Künstler gerührt. In dieser Region, in der ich nun lebe, gab es nur eine Hand voll Redner*innen, was mir natürlich auch in die Karten gespielt hat. Denn, wenn man erst einmal einige Hochzeiten begleitet hat und das Brautpaar aber vor allem auch die anwesenden Gäste begeistern konnte, resultieren daraus häufig Folgeaufträge. Denn viele Gäste sind oft selbst im heiratswilligen Alter. 😉

    Was ich auf jeden Fall empfehlen kann, ist einen aussagekräftigen Internetauftritt, der die jeweilige Persönlichkeit wirklich widerspiegelt. Denn wem meine Internetseite zusagt, der ist dann auch häufig von mir als Person überzeugt. Und dann finden auch die Kunden zu einem, mit denen es harmoniert. Fotos von Aufträgen, Bewertungen von Kunden, einen guten Internetauftritt – im besten Fall auch auf Socialmedia-Plattformen – ist enorm wichtig, denn keiner möchte die Katze im Sack kaufen.

    Kann jeder freie*r Redner*in sein? Was hälst du von Angeboten wie “Freie Redner Ausbildung – 6 Tage Intensiv-Seminar”?

    Theoretisch kann sich jeder „freie*r Redner*in“ nennen, es ist kein geschützter Beruf und es gibt keine anerkannte Ausbildung. Es gibt zwar viele Rednerschulen in denen man eine Ausbildung absolvieren kann und dann teilweise sogar IHK geprüfte*r Redner*in ist, aber ich halte von den meisten dieser Angebote ehrlich gesagt nichts.

    Unsere Gesellschaft ist so geeicht, dass mittlerweile nur noch der anerkannt wird, der einen Uniabschluss hat oder du kommst aufgrund von deiner fehlenden Qualifikation nicht an eine bestimmte Position in der Firma. Das mag in einzelnen Arbeitsbereichen auch Sinn machen, aber in vielen wird die Qualifikation auf dem Papier über die tatsächliche Qualität der Leistung gestellt.

    Gerade in einem Bereich, in dem es um Emotionen, Menschlichkeit, Vertrauen und Empathie geht, sollte das Bauchgefühl, die Sympathie und der gesunde Menschenverstand gelten und nicht irgendein Zertifikat, was mir jemand verleihen kann, der selbst erst seit 2 Jahren Redner ist.

    Denn viele Fähigkeiten, die man für diesen Beruf braucht wie Sprachgefühl, Gefühle generell in Worte fassen können, zwischen den Zeilen lesen können, eine angenehme Sprechstimme haben sowie gern vor Menschen sprechen, kann man meiner Meinung nach in keinem Seminar lernen.

    Vanessa Linska vereint Emotionen und lustige Anekdoten in ihren Reden
    Vanessa Linska vereint Emotionen und lustige Anekdoten in ihren Reden

    Wie schaust Du auf die Entwicklungen in dieser Branche?

    Ich freue mich natürlich, dass es immer mehr Möglichkeiten gibt, seine Hochzeit wirklich so zu gestalten, wie man es sich selbst wünscht. Wer religiös heiraten möchte kann das tun, muss es aber nicht. Und durch freie Redner*innen haben auch jene Paare eine Chance auf eine schöne und emotionale Zeremonie, die sonst nicht religiös heiraten dürfen. Ich glaube, dass der Boom der sehr großen amerikanischen Hochzeiten langsam vorbei geht und Paare auch wieder auf kleinere und noch individuellere Hochzeiten setzen. Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein werden da hoffentlich in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Außerdem hoffe ich auch, dass noch mehr Paare sich trauen das Wort „frei“ wirklich auch in ihre Hochzeit zu integrieren. Man merkt doch, dass viele noch an alten Mustern festhalten und wenig hinterfragen, ob sie diese oder jene Tradition jetzt wirklich auf ihrer Hochzeit haben möchten und ob das eigentlich zu ihnen passt.

    Wie hebst Du Dich von anderen freien Redner*innen ab?

    Jede*r Redner*in hat seinen eigenen Stil. Während der eine seine Rede sehr emotional gestaltet, wird der andere vor allem für seine lustige und lockere Art gebucht. Der eine macht sich nur Stichpunkte und erzählt eher frei, der nächste hat alles ausformuliert und bringt auch schöne Zitate mit ein. Oft werden wir in erster Linie aufgrund unserer Person gebucht und erst zweitrangig aufgrund unseres Angebotes. Das ist bei anderen Hochzeitsdienstleistern oft anders. Das bringt aber auch eine ganz besondere Verantwortung mit sich.

    Ich finde eine schöne Mischung aus Emotionen und lustigen Anekdoten toll. Auch, wenn man natürlich eine gewisse Präsenz haben muss, steht das Brautpaar für mich immer im Vordergrund. Was mich vielleicht besonders von anderen Rednern unterscheidet ist, dass ich zusätzlich zum Hauptgespräch noch Fragebögen an das Brautpaar und ihre Liebsten verteile. So bekomme ich einen noch besseren Eindruck vom Paar und kann die ein oder andere Geschichte mit einbauen, die das Brautpaar vielleicht schon wieder vergessen hat oder noch nicht gekannt hat. Zum Beispiel vom ersten Eindruck der Eltern – was haben sie über den neuen Partner gedacht? Das sorgt oft für Überraschungen und Lacher.

    Natürlich wünsche auch ich dem Paar alles Gute für ihre gemeinsame Zukunft, wenn aber diese Wünsche von der Trauzeugin oder dem großen Bruder kommen, bringt das natürlich nochmal eine ganz andere Emotionalität mit sich.

    Hattest Du in letzter Zeit einen “Aha-Moment”?

    Die Corona-Pandemie hat die Eventbranche hart getroffen. Bei mir sind mehr als die Hälfte meiner diesjährigen Hochzeiten ausgefallen oder verschoben worden. Die Paare müssen zwangsläufig umdenken, aber manchmal ergeben sich dadurch auch nochmal ganz neue Chancen. Warum nicht die Hochzeit wirklich im engsten Kreis feiern, aber dann auch für jeden intensiv Zeit haben und ein, zwei Jahre später ein schönes, großes Gartenfest machen?

    Herbst, Winter und Frühjahr können so viele Vorteile gegenüber Sommerhochzeiten haben, wenn man nur bereit ist, einmal von dem abzurücken, was man in Hochzeitsmagazinen oder im Internet sieht.

    Es muss nicht immer der klassische Ablauf mit Sektempfang, Gruppenfotos, Abendessen und Tanz sein. Eine ganz besondere Location mit einem Zauberer oder Karikaturisten, ein nachgebautes Casino statt Tanzfläche. Mir fallen da so viele Ideen ein, die nicht dem klassischen Bild einer Hochzeit entsprechen und trotzdem eine Menge Spaß und vor allem Erinnerungsfaktor und Widererkennungswert versprechen.

    Bist Du vor Deinen Reden noch aufgeregt?

    Ja, das bin ich. Vor allem der Moment, wo alle Gäste schon sitzen und ich alleine oder mit einem der Beiden vorn stehe und wir auf den Einzug warten. Da steigt auch mein Puls extrem in die Höhe. Das legt sich dann aber nach den ersten gesprochenen Sätzen wieder und ist wohl auch wichtig, um sich zu fokussieren und volle Konzentration auf die Zeremonie zu legen. Schließlich ist es einer der wichtigsten Tage im Leben des Brautpaares.

    Welche persönlichen Ziele verfolgst Du in den nächsten Jahren?

    Ich möchte den Bereich der Trauerreden weiter ausbauen und mich da auch mit Kollegen austauschen. Denn auch, wenn ich nicht viel von Rednerschulen halte, so halte ich doch sehr viel von Weiterentwicklung, über den Tellerrand schauen und sich auch mal mit Kollegen austauschen. Man kann immer noch Anregungen von Kollegen mitnehmen und sich gegenseitig beraten oder helfen.

    Informationsaustausch mit Kollegen ist für Vanessa ein relevanter Aspekt, um sich stetig in ihrer Arbeit weiterzuentwickeln
    Informationsaustausch mit Kollegen ist für Vanessa ein relevanter Aspekt, um sich stetig in ihrer Arbeit weiterzuentwickeln

    Ausgleich zur Arbeit?

    Ehrlich gesagt gibt es das bei mir eigentlich nicht wirklich. Meine Jobs sind sehr unterschiedlich und verlangen unterschiedliche Dinge von mir.

    Ich bin gelernte Erzieherin und arbeite Teilzeit in einem Kindergarten mit festen Arbeitszeiten, wo ich im Team zusammen und untergeordnet arbeiten muss. Ich bin viel in Bewegung und arbeite eher praktisch. In meinem Job als freie Rednerin bin ich selbstständig, bin mein eigener Chef, habe aber auch allein die Verantwortung für alles was ich tue. Ich kann mir meine Zeit frei einteilen und muss mich mit niemandem absprechen, auch das genieße ich sehr.

    Vor allem der Job als freie Rednerin erfüllt mich komplett. Fast jeder Teil meiner Arbeit bringt mir Spaß – abgesehen von Ablage oder Steuern.

    Und wenn man dann am Tag der Trauung eine Braut vor sich hat, die sagt, dass sie das schlechte Wetter sofort vergessen hat, als ich angefangen habe zu reden oder der Opa, der extra zu mir kommt um sich für seine Vorurteile gegenüber einer freien Trauung zu entschuldigen oder ein Dienstleisterkollege, der sagt, er habe noch nie so eine gute freie Trauung gehört, ist das der schönste Ausgleich.

    Abschlussteil

    Es gibt immer mal Dinge, die unvorhergesehen passieren. Es ist mir zum Beispiel schon einmal passiert, dass das Ringkind während der Trauung eingeschlafen ist und seinen Einsatz wortwörtlich verschlafen hat. Oder eine Katze ist während der Trauung auf den Trautisch gesprungen und hat mir in dem Moment ein bisschen die Show gestohlen. Die Kinder waren natürlich begeistert.

    Es passiert auch nicht gerade selten, dass die Finger vor Aufregung und Wärme so angeschwollen sind, dass der Ring nicht so leicht auf den Finger passt, wie es immer in den Hollywoodfilmen aussieht. Unglaublich wichtig ist, dass man dann in dem Moment auf die Situation reagieren kann. Nichts ist unangenehmer, als ein Redner, der dann die offensichtliche Situation ignoriert und einfach seinen Stiefel weiter durchzieht. Das spontane Reagieren auf die Situation und im besten Fall mit Lacher von den Anwesenden, ist die Königsdisziplin.

    Für Vanessa Linska stellt die Arbeit als freie Rednerin eine Erfüllung dar
    Für Vanessa Linska stellt die Arbeit als freie Rednerin eine Erfüllung dar

    Ich danke Dir für das aufschlussreiche Interview!

    Homepage von Vanessa Linska

    Vanessa Linska auf Instagram

    Vanessa Linska auf Facebook

    Interview von Stefan Kramberg mit Vanessa Linska auf Youtube

    Interview: Jana Pohlmann

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